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mitteldeutscher rundfunk

Ausgabe: 26.05.2003    
"Irrenanstalt Nietleben" - Hallenser Stadtrat vertagt Abriss-Abstimmung

mdr | 29.05.2003 | 01:49
Die einstige "Irrenanstalt Nietleben" steht unter Denkmalschutz

(Bildquelle: dressler-architekten)
Der Hallenser Stadtrat hat am Mittwoch die Abstimmung über den Abriss der denkmalgeschützten "Provinzial-Irrenanstalt Nietleben" vertagt. Die Abgeordneten beschlossen, die Angelegenheit in den Kulturausschuss zu verweisen. Die Stadtverwaltung hatte es versäumt, das Gremium einzubeziehen. Das rächte sich: Die Entscheidung der Stadtverordneten fiel mit großer Mehrheit.

Der Abriss des klassizistischen Ensembles ist quer durch die Stadtratsfraktionen umstritten. Lediglich die HAL-Fraktion ist sich einig - sieben Stimmen gegen den Abriss. CDU und SPD wollten mehrheitlich für einen Abriss des klassizistischen Gebäudekomplexes stimmen. Einen Fraktionszwang gibt es aber nicht, so dass ein Ausscheren einzelner Abgeordneter als wahrscheinlich galt. Bei der PDS und UBF-Fraktion im Stadtrat war der Fraktionszwang ebenfalls ausgesetzt; große Teile der Abgeordneten wollen sich dagegen aussprechen. Selbst die zwei FDP-Abgeordneten sind geteilter Meinung.

Klassizistisches Kleinod
Die ausgedehnte Anlage aus dem 19. Jahrhundert gehört zu den ältesten psychiatrischen Anstalten Deutschlands. Die Gebäude sind in einem schlichten klassizistischen Stil gehalten. Sie haben Kriege und die Nutzung als Sowjet-Kaserne zu DDR-Zeiten nahezu unbeschadet überstanden. Nach der Wende fand sich aber kein Investor und so verwahrloste das Gelände.

Technologiezentrum soll 200 Arbeitsplätze schaffen
Nun will die Stadt Halle auf dem Grundstück, das innerhalb eines Innovationsparkes liegt, einen dritten Neubau für das Technologie und Gründerzentrum (TGZ) errichten. Zukünftig soll dort in so genannten Reinräumen Nanotechnologie entwickelt werden. Zunächst sind 200 Arbeitsplätze vorgesehen. In einem Punkt sind sich Befürworter und Kritiker des Abrisses einig: Der Umbau der alten Anstaltsgebäude für das neue Gründerzentrum ist nicht möglich.

Investorenkeule contra Kultur?
Der Direktor des TGZ, Lukas, hat mit zwei Häusern bereits Erfolge bei der Ansiedlung von Technologie-Unternehmen erzielt. Er erwartete eine Zustimmung des Stadtrates "um der Vernunft willen." Die Kritiker des Abrisses stellen sich nicht gegen einen Ausbau des Technologie- und Gründungszentrums, sondern gegen die Expansion auf dem Gelände der ehemaligen Landesheilanstalt. Lukas lehnte bisher sechs Ausgleichsflächen ab, darunter auch direkt angrenzende.

Der SPD-Abgeordnete Kraus sagte, die Argumente für die Ablehnung seien nicht logisch. "Aber wenn die Investorenkeule geschwungen wird, dann ziehen alle die Köpfe ein". Das Gebäude sei ein historisches Denkmal, aber da gehe man eiskalt drüber hinweg. Kraus fühlt sich an DDR-Zeiten erinnert, wie etwa an die Sprengung der Leipziger Paulinerkirche. Der CDU-Abgeordnete Schütze geht jedoch davon aus, dass der Antrag durchkommt. Die Abrissgenehmigung der Stadt wäre dann nur noch eine Formsache. Noch in diesem Jahr würden die Bagger anrollen, denn die 33 Millionen Euro Fördergelder von der EU stehen nur bis 2006 bereit.
 
Das Gelände der "Provinzial-Irrenanstalt Nietleben" umfasst rund 20 Hektar.

(Bildquelle: dressler-architekten)
   

www.scheer-halle.de