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Bauwelt | ||
Ausgabe: 24/2003 | ||
Ehemalige Provinzial-lrrenanstalt | ||
Matthias Crünzig |
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Halle an der Saale verfügt über einen Reichtum an Baudenkmälern, von dem viele
deutsche Großstädte nur träumen können. Allerdings sorgt der Umgang mit ihnen
regelmäßig für Konflikte. Jüngstes Beispiel ist der aktuelle Streit um die
Zukunft der ehemaligen Provinzial-lrrenanstalt in Halle-Nietleben.
Architektonisch wie medizinisch betrat man mit dem Bau der zweiten modernen
Irrenanstalt in Deutschland Neuland. Während Geisteskranke vorher in
Gefängnissen und so genannten Irrentürmen" weggeschlossen worden waren, rückte
von nun an deren Heilung und Pflege in den Mittelpunkt. Da die
Therapiemöglichkeiten zu jener Zeit noch begrenzt waren, setzten die damaligen
Ärzte vor allem auf die heilende Wirkung einer möglichst harmonischen
Umgebung. Dieser These folgte die Gestaltung der Anlage. Schon die Lage war ausgesprochen reizvoll: Die Neubauten entstanden auf einer Anhöhe oberhalb der Saale, die einen herrlichen Blick auf Halle und die Flussauen gewährte. Hier errichtete der Architekt Gustav Spott 1844 eine symmetrische Anlage von sechs Gebäuden mit klassizistischen Fassaden, Kolonnaden und Arkadengängen, die an italienische Palastanlagen erinnern und der Anstalt eine südländische Ausstrahlung verliehen. 1864 wurde von Friedrich August Ritter im Stil der Berliner Schinkelschule die Anstaltskirche errichtet. Schon bald nach Eröffnung der Irrenanstalt wurden Erweiterungen nötig. Bis 1924 entstanden ein Festsaal, Patientenvillen im Schweizerhausstil, ein Direktorenwohnhaus im Landhausstil, Angestelltenwohnhäuser mit Art-deco-Elementen und weitere Pflegeheime. 1935 wurde die Irrenanstalt aufgelöst, ihre Gebäude daraufhin von der Heeres-Nachrichtenschule genutzt, bis nach 1945 die sowjetische Armee Einzug hielt. Nach dem Abzug des Militärs 1994 zeichneten sich vielversprechende Perspektiven für die Anlage ab. Im Rahmen der Planung eines Technologie- und Wissenschaftsparks Heide-Süd sollte die Anlage als Forschungscampus genutzt werden. Doch für das ehrgeizige Projekt fand sich kein Investor und für eine Sanierung der Gebäude fehlte der Stadt das Geld. Jetzt ist der Abriss des Baudenkmals in Sicht. Im März reichte die Stadt Halle einen Abrissantrag für den Kernbereich der Anlage ein. Hintergrund des Antrages sind die Pläne eines Investors, der auf dem Anstaltsgelände ein Technologie- und Gründerzentrum errichten will. Gegen die Abrisspläne hat sich mittlerweile jedoch erheblicher Widerstand formiert. Das Landesdenkmalamt lehnt den Abriss ab, die Architektenkammer Sachsen-Anhalt protestierte in einem offenen Brief an die Oberbürgermeisterin, und auch Bürgerinitiativen, wie der Arbeitskreis Innenstadt" machen mobil: Im Wissenschaftspark Heide-Süd gebe es noch genug unbebaute Flächen, die für die Ansiedlung eines Technologie-und Gründerzentrums geeignet seien. Zugleich verweist man auf die Potenziale der Anstalt - ihre markante Architektur und die landschaftlich reizvolle Lage. Ob die Proteste Gehör finden, ist fraglich. Der Investor des Technologie- und Gründerzentrums hat alternative Standortangebote bisher abgelehnt. Auch der Denkmalstatus der Gebäude dürfte wohl kaum ein Abrisshindernis sein. Denn eine Novelle des Landesdenkmalgesetzes hat den Denkmalschutz im vorigen Jahr dermaßen ausgehöhlt, dass er nur noch eingeschränkten Schutz bietet. So könnte das Schicksal der Anstalt ein weiteres Mal die Ohnmacht der Denkmalpflege in den neuen Ländern belegen. |
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